Er war 19 Jahre alt, als er im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen landete. Wegen eines gescheiterten Fluchtversuchs an der ungarischen Grenze. Nur zwei, drei Jahre älter war er damals im Juni 1987, als es seine Zuhörer heute sind, Zehntklässler der Realschule sowie einer Klasse der GMS Obrigheim. Aufmerksam folgen sie seinen Ausführungen über die Schulzeit in der DDR. Sie begreifen, was eine Diktatur ist, wenn Röllig ihnen von seinem knallgelben T-Shirt mit dem Konterfei seines Idols Franz Beckenbauer erzählt, ein Geschenk seiner Tante aus dem Westen. Stolz trägt es der Grundschüler zwischen den blauen FDJ-Uniformhemden der anderen Kinder beim morgendlichen Fahnenappell zu Wochenbeginn in der Schule. Verständnislos lässt es ihn zurück, als ihn der Direktor in sein Zimmer zitiert, um ihm einen Vortrag über den Klassenfeind zu halten und ihn zwingt, das T-Shirt auf links zu drehen. Zum Verhängnis wird Röllig, der sich als unpolitischen Jugendlichen beschreibt, dem es in der DDR wirtschaftlich gutging, als er von der Stasi angeworben wird. Er verweigert sich, seinen aus West-Berlin stammenden Freund zu bespitzeln. Seine lukrative Arbeit am Ostberliner Flughafen wird ihm genommen, er fühlt sich zunehmend drangsaliert. Und wagt die Flucht. Es sind die kleinen, unscheinbaren Details, die die Schülerinnen und Schüler nachdenklich machen. So, wenn Mario Röllig ihnen erzählt, dass er noch heute nachts aus dem Schlaf schrecke und sich gerade auf den Rücken lege, weil er in Haft nur so habe liegen dürfen. Lag er anders, habe der Wärter den Riegel der Zellentür knallen lassen.
Die Erfahrungen mit der DDR-Diktatur haben den 56Jährigen zu einem politischen Menschen werden lassen, der sich heute in der CDU Berlins engagiert. Er hat für das Abgeordnetenhaus kandidiert und ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Lesben & Schwulen in der Union (CDU). Es sind auch seine Erfahrungen, die er als Homosexueller mit Ausgrenzung und Diskriminierung am eigenen Leib machen musste, die ihn bewegen, als er sich von der Geschichte-AG der Realschule Obrigheim durch die Ausstellung über Vinzenz Rose führen lässt und ihren Berichten über den rassistischen Umgang mit der Minderheit der Sinti und Roma zuhört. Im anschließenden Gespräch mit den jungen Menschen äußert er seine Anerkennung für ihr Engagement: „Wenn man diese Ausstellung gesehen und sich mit euch auseinandergesetzt hat, kann man sich eurer Idee, eure Schule nach Vinzenz Rose zu benennen, nicht mehr entziehen.“ Er versprach, sich mit seinen Möglichkeiten für die Initiative zu verwenden und den Mitgliedern der AG bei ihrem Besuch im Sommer 2024 in Berlin den Ort zu zeigen, der für ihn zur Hölle wurde – das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen.